Sustainable Livelihoods in Central Asia

Prof. Dr. Eckhard Dittrich/Prof. Dr. Heiko Schrader: "Sustainable Livelihoods in Central Asia"

Die epochalen Umbrüche in Europa und Zentralasien nach dem Zerfall der Sowjetunion führten zu grundlegenden Veränderungen der wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten. Auch die „kleinen Vorgänge“ der Anpassung an die Veränderungen auf der Alltagsebene privater Haushalte zur Lebenssicherung sind zentral für ein Verstehen gesellschaftlicher Transformationsprozesse. Die Untersuchungseinheitensind Privathaushalte in zwei politisch wie ökonomisch stark divergierenden postsozialistischen Gesellschaften Zentralasiens  (Kasachstan und Kirgisistan). Untersucht wird, ob sie nach knapp 20 Jahren Systemtransformation zur Marktgesellschaft marktkonform handeln.

Da entwicklungstheoretische Überlegungen Modernisierungen mit zeitlicher Verzögerung auf dem Land verorten, werden städtische mit ländlichen Haushalten in drei urbanen Zentren (in Kasachstan in den Städten Astana und Almaty, in Kirgisistan in Bischkek) und korrespondierend drei Dörfern bzw. Dorfregionen (rural geprägte Ortschaften nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Zentren) kontrastiert.  Die (Über)Lebensstrategien von privaten Haushalten unterer und mittlerer Einkommensgruppen werden mit Hilfe des Sustainable Livelihoods Approach (SLA)[1] analysiert. Zentrales Element der Untersuchung ist stark vereinfacht, ob die Fremdverantwortlichkeit im Sozialismus („der sorgende Staat“) durch Eigenverantwortlichkeit in der Absicherung des Haushaltes ersetzt wurde. Hierbei stehen weniger die kurzfristigen Alltagsbewältigungen im Vordergrund, wie sie kennzeichnend für die frühen 1990er Jahre waren, sondern insbesondere Planungskonzepte zur Generierung langfristiger Sicherheit wie etwa der Abschluss von privaten Lebens- oder Rentenversicherungen, die Vermögensanlage oder die langfristige Kapitalanlage, ebenfalls aber das Vertrauen in informelle Sicherungsmechanismen wie Familien-/Verwandtschafts- oder Nachbarschaftsnetzwerke, die den Haushalt in ein soziales Netz einbetten. Die Kohortendifferenzierung zielt dabei auf die Vermutung, dass die ältere Kohorte eher auf formelle oder informelle Sicherungssysteme vertraut, während die jüngere Kohorte eher Eigenverantwortlichkeit entwickelt und marktwirtschaftliche Institutionen annimmt. Die Einkommensdifferenzierung zielt auf eine Unterscheidung von schichtspezifischen Sicherungsstrategien. Der Stadt-Land-Vergleich soll die vermutlich unterschiedlichen (Über)Lebensstrategien wie auch Investitionen und Sicherungsmechanismen urbaner und ruraler Haushalte fokussieren. Der Ländervergleich soll schließlich den unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen Rechnung tragen.

Das Projekt wird mit drei Teams in Kasachstan und Kirgisistan durchgeführt; es dient auch zur Weiterqualifikation von Nachwuchswissenschaftlern[2]

Projekthomepage: http://www.uni-magdeburg.de/fgse/node/114
Förderinstitution: Volkswagen-Stiftung
Laufzeit: 2011-2013
Publikationen: siehe Projekthomepage

[1] „Sustainable Livelihoods“ wird oftmals mit „nachhaltig gesicherte Lebensverhältnisse“ übersetzt (vgl. Dittrich 2000). In Hinsicht auf entwicklungspolitische Publikationen wäre der Begriff „(Über)Lebensstrategien“ sinnvoll). Dabei soll der Begriff „Strategie“ im weiteren Sinne hinsichtlich Alltagshandeln als „zur richtigen Zeit die richtigen Dinge tun“, ohne notwendigerweise Planbarkeit und Rationalität vorauszusetzen (siehe hierzu später).

[2] Als kasachische Partner stehen Prof. Saigul Zabirova und Kollegen an der Eurasischen Nationalen Universität Astana sowie Frau Dr. Nazym Shedenova und Kollegen an der Staatlichen Universität Al-Farabi in Almaty und Frau Batima Mambetalina, bereits finanzierte Doktorandin in Magdeburg, als kirgistanische Partnerin Frau Dr. Galina Gorbukorova an der American University of Central Asia sowie der Kirgisisch-Russisch-Slawischen Universität zur Verfügung. Herr Dr. Denis Gruber (Magdeburg/St.Petersburg) wird die Forschungskoordination übernehmen.

Letzte Änderung: 22.05.2013 - Ansprechpartner: Webmaster